Grenzgänge

Warum es mehr Bratwürste in der Medienbranche gibt!

In kaum einer Branche kommen Frauen so schwer nach oben wie in den Kommunikationsmedien.

Autorin: Nicole Seidel, Titelfoto: Nicole Seidel

Frauen, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzen, tun dies vor allem, um sich selbst eine bessere berufliche Positionierung zu sichern. Das behauptete zumindest Spiegel-Hierarch Thomas Tuma kürzlich in seinem Essay: „Sie tun gerade so, als hätte ihr Anliegen gesellschaftliche Relevanz.“ Er ist überzeugt, bei den Frauen des Medienvereins ProQuote den Wolf im Schafspelz erkannt zu haben, berücksichtigte hierbei jedoch nicht, dass auch Männer diesen Verein unterstützen. Die Mitglieder von ProQuote sprechen sich für eine Frauenquote von 30 Prozent auf allen Führungsbenen bis 2017 aus – in sämtlichen Print- und Onlinemedien sowie im TV und Radio – denn eine stärkere Präsenz von Frauen in den Medien ist von großer gesellschaftlicher Bedeutung.

Das erkannten die Vereinten Nationen und die Europäische Union bereits im Jahr 1995. So wurde diese Thematik in Peking zu einem dringenden Anliegen erklärt, mit dem Ziel, das offensichtliche Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichern Führungskräften in der Medienbranche künftig in ein Gleichgewicht zu bringen. Mithilfe von TV-, Radio oder Printbeiträgen fungiert die Medienbranche als Informationsträger. Diese verantwortungsvolle Aufgabe beinhaltet das Liefern von Denkanstößen sowie das Prägen von Meinungen. Hierbei gehört das Hinterfragen von Geschlechterrollen (Gender Mainstream) innerhalb unserer Gesellschaft zu einem wichtigen Bereich. Als Beispiel: Die Vorstellung von gesellschaftlicher Normalität wird ebenso geprägt, wenn eine Frau häufiger als Hausfrau oder als Managerin im Fernsehen ausgestrahlt wird.

Dieses Prinzip lässt sich auch auf Magazine und Zeitungen übertragen. Eine mehrheitliche Beteiligung von Frauenmeinungen in der Auswahl von Themen und das Äußern von Schwerpunkten in Leitartikeln unterstützt im besten Fall das gleichberechtigte Zusammenleben in einer Gesellschaft. Hinfällig wird auch Tumas Vorwurf einer unnötigen Inszenierung der ProQuote-Frauen, wenn man sich die Ergebnisse einer Studie ansieht, die das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen soeben veröffentlicht hat. Die Studie sollte knapp 20 Jahre nach der Erklärung von Peking die Veränderungen in der TV-, Radio- und Printwelt erfassen.

Fest steht, 98 Prozent der Chefredakteure deutscher Tageszeitungen und die meisten Entscheider in TV- und Hörfunksendern sowie Online-Redaktionen sind Männer. Warum? Weil in den Chefetagen nicht die Besten der Branche sitzen, sondern die Besten der Buddy-Netzwerke.

Erst die Quote schafft echten Wettbewerb. Trotz Selbstverpflichtung zur Frauenförderung hat sich in den vergangenen zehn Jahren wenig verbessert. Männer fördern bevorzugt Männer. Eine verbindliche Quote ist ein Hilfsinstrument für Chefs, die eingeprägten Muster zu überwinden. Frauen sorgen nachweislich für mehr Effizienz in Führungsteams. Davon profitieren alle. Gemischte Führungsteams sind kreativer, der Kommunikationsstil verändert sich – und auch davon profitieren alle.