Kultur und Technik

Zur Ruhe kommen auf kulturhistorischem Boden

Über den jüdischen Friedhof Weißensee als stille Ecke in Berlin

Autor: Carlo Schwarzmann, Titelfoto: Carlo Schwarzmann

Den Kopf freizubekommen ist in einer turbulenten Stadt wie Berlin oft nicht leicht. Es gibt hier allerdings viele wunderbare stille Ecken, die die Großstadthektik schnell vergessen lassen. Besonderen Reiz bietet der jüdische Friedhof Weißensee in der Herbert-Baum-Straße 45. Dieser ist mit über 115 000 Grabstellen auf 42 Hektar der größte jüdische Friedhof Europas.

Der prächtige Eingang mit dem stilvoll geschwungenen, gusseisernen Tor lässt schon erahnen, wie groß das Areal dahinter sein muss. In der Mitte des Eingangsbereiches wurden zahlreiche Blumenkränze niedergelegt, die an die Ermordung von Juden im Nationalsozialismus erinnern.

Von der Trauerhalle mit der gelblichen Ziegelfassade führen zwei Wege in den Friedhofspark. Der linke ist etwas abschüssig und bietet eine gute Aussicht auf die folgenden, zahlreichen Abzweigungen und Rondelle, die der Architekt Hugo Licht entwarf. Überall umgibt einen die grüne Natur und vergessen ist all die Hektik.

Diese stille Ecke Berlins ist eine perfekte Balance aus Park und Ruhestätte. Dort sind mit kleinen Steinen gepflasterte, unebene Wege verbaut, die an prunkvollen Mausoleen und einfachen Gräbern vorbeiführen. Manche Inschriften regen zum Nachdenken an. Auch berühmte Persönlichkeiten liegen auf diesem Friedhof begraben, wie der Komponist Louis Lewandowski, KaDeWe-Gründer Adolf Jandorf oder Herbert Baum, der ein bedeutender Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus war.

Wer den Park in seiner Gänze durchlaufen möchte, benötigt etwa zwei Stunden. Doch auch für ein lediglich kurzes Durchatmen von 15 bis 30 Minuten können kurze Routen gewählt werden.

Ein Friedhof mag etwas schwer zugänglich erscheinen, um dort der Hektik des Alltags zu entfliehen. Allerdings sind dort täglich viele weitere Spaziergänger unterwegs, die bei einem Spaziergang Ruhe finden. Was den jüdischen Friedhof Weißensee darüber hinaus so besonders macht, ist seine bemerkenswerte und untypische Architektur sowie seine gute Erhaltung. Vor allem aber wandelt man auf dessen kulturhistorischen Pfaden und tankt gleichermaßen Energie, die das sonst so hektische Berlin abverlangt.

In dem Blog „Stille Ecken in Berlin“ stehen weitere Tipps zum nachlesen

www.stille-ecken-in-berlin.de