Wer sich tagtäglich durch den Großstadtdschungel kämpft, findet auf seinen Wegen die buntesten Bilder an Berliner Mauern vor. Von farbenfrohen Gemälden an Hauswänden bis hin zu kleinen Papierstickern an Laternen - die Hauptstadt ist voller Kreativität. „Streetart” nennt sich jene illegale Kunstform, die sich im urbanen Gegenden verbreitet und das Stadtbild dominiert. Doch wie kam es dazu, dass sich die deutsche Hauptstadt zu einer großen kostenlosen Kunstgalerie entwickelt hat? Und welche Grenzen überschreiten die Künstler, um ihre Werke zu verbreiten?
„Die Kunst muss raus auf die Häuserwände.“ EMESS
Das Jahr 1989 - ein großer Moment in der Geschichte Deutschlands. Die Berliner Mauer fällt und mit ihr die Unterdrückung der Freiheit. Zahlreiche Künstler zieht es in die Hauptstadt, denn sie wollen die Inspiration in den neuen Freiräumen finden. Auch wenn der Trend in vielen Großstädten überschwappt, wird gerade die deutsche Hauptstadt als riesiger Spielplatz erobert. Der Osten Berlins bietet interessante Möglichkeiten, um kahle Flächen zu schmücken. Leerstehende Wohnungen und unsanierte Häuserwände werden zu Leinwänden der Straßenkünstler. Besonders in den Bezirken Kreuzberg, Friedrichshain und Mitte hat sich über die Jahre hinweg ein absoluter Kult mit einer wachsenden kreativen Szene entwickelt. Nicht umsonst gilt Berlin seit 2006 mit seiner Vielzahl und Vielfältigkeit an Motiven, durch die UNESCO gewählt, als „City of Design“.
Doch die Werke sind nicht für die Ewigkeit geschaffen. Was heute noch die Wand ziert, kann morgen schon wieder verschwunden sein. Berlin verändert sich täglich und erfindet sich immer wieder neu. Hauseingänge, Rohre und Wege werden bemalt, besprayed, beklebt und sogar eingehäkelt - der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die vielen verschiedenen Techniken (s. Infokasten) bieten unterschiedlichste Möglichkeiten, um sich individuell zu entfalten. Die Künstler wollen mit dem Betrachter kommunizieren und in Interaktion treten. Dabei können ihre Werke persönlich, kritisch oder dekorativ sein und zum Lachen oder Nachdenken anregen. Street Art soll das konsumorientierte einheitliche Stadtbild auflockern und seinen Bewohnern eine Plattform zur Kommunikation bieten. Da es sich hierbei um eine illegale Tätigkeit handelt, arbeiten viele Künstler meist anonym oder unter einem Künstlernamen.
„Humor ist eine gute Waffe und Straßenkunst ist das beste Medium um Menschen zu erreichen.“ PROST
Mit Pinsel, Spraydose und Kleber bewaffnet, streifen sie nachts durch Berliner Straßen und bringen ihre Werke unter das Volk. Die Chance dabei erwischt zu werden ist hoch, daher muss alles zügig ablaufen. Wo das Bekleben der Wände bereits schon als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, geht es beim Sprayen schon um höhere Sachbeschädigung. Da es sich hierbei um Verunreinigung fremden Eigentums handelt, fallen die Strafen empfindlich aus.
„Ich habe etwas zu sagen, das will ich loswerden. Ich richte mich nach meinem Gefühl, nicht nach dem Zeitgeist.“ NOMAD
Obwohl die meisten unter ihnen anonym bleiben wollen, haben sich trotzdem viele Künstler ihren Ruhm mittlerweile zu Nutzen gemacht. Namen wie Banksy und Blek sind inzwischen mehr als bekannt und in der Kunstszene hoch angesehen. Ihre Werke werden für hohe Summen verkauft und können mit dem Erfolg traditioneller Kunst mithalten. Auch Berliner Künstler wie El Bocho zieht es mittlerweile von der Straße in die großen Galerien der Welt.
Solltest du das nächste Mal die Berliner Innenstadt unsicher machen, musst du unbedingt auf deine Umgebung achten. Die Wände sind voller kleiner und großer Meisterwerke, die nur darauf warten, von dir entdeckt zu werden. Wir haben dir schon mal die Arbeit abgenommen und eine Tour für den nächsten Wochenendspaziergang zusammengestellt.
Viel Spaß bei der Streetart-Safari!
Wir haben euch eine Variation der coolsten Kunstwerke weiter unten zusammengefasst.